Josef Taucher. Malerei. Berg. Fels.


Josef Taucher, Nacht 24, 2003 © Josef Taucher
Josef Taucher, Nacht 24, 2003, Öl/Molino, 195 x 150 cm © Josef Taucher

Kunst | Wissenschaft

Im Zentrum des künstlerischen Interesses steht das Felsmassiv, der Berg; eine Metapher, das Tragwerk seiner Malerei: Josef Taucher erfuhr den Berg vorerst als Extremkletterer, später transformierte er die körperliche Extremerfahrung in eine akribische wissenschaftliche Erforschung des Gesteinsbestandes der Felsen und geologischer Zusammenhänge.

Dieses Wissen stellt einen markanten Bruch mit der traditionellen Bergmalerei. Realismus vortäuschende Topographien sind Medium für das künstlerische Anliegen dahinter, die Darstellung des Raumes. Vertikale, bodenlose, undurchdringliche oder zart aufgelöste, abstrakte Strukturen

lassen Bilder entstehen, die der Realität scheinbar sehr nahe kommen. Sie bedürfen keinerlei Vorlage sondern sind Produkt des Malprozesses und der Erfahrung in und mit zahllosen Felswänden. Es handelt sich um pure Fiktion. Auf der Leinwand entsteht selbst dem Maler davor Unbekanntes.



Seit den 1970ern beschäftigte sich Josef Taucher in seinem WERK mit dem Berg und hielt damit dem Zeitgeist auf vielen Ebenen entgegen. Schon als die Jungen Wilden Maler im Aufbruch waren sind seine Gebirge, Abgründe, Himmel und Wolken zugegen gewesen. Der Raum wird gekrümmt, Perspektiven werden gekippt und der Mensch ist angewiesen auf die Suche nach einem sicheren Standplatz.

 

Ab den 1980ern arbeitete Josef Taucher als im Fach anerkannter Wissenschaftler und Mineraloge. Fasziniert von der Ästhetik der kristallinen Materie entdeckte und beschrieb er vier weltweit neue Mineralspezies (Bsp. Pretulite) und verfasst(e) eine Vielzahl an mineralogischer Literatur. Weitere Neufunde warten auf ihre Bearbeitung.

Josef Taucher wurde als Vertreter der Neuen Österreichischen Malerei und Plastik Anfang der 1980er Jahre international bekannt. Im Widerspruch zu Malerkollegen der “Neuen Wilden” galt sein Interesse niemals dem Abbilden von real vorhandenen Menschen, Gegenständen oder Landschaften sondern zeitlosen, gegenständlichen Räumen außerhalb von alltäglichen menschlichen Regungen und Befindlichkeiten. Die von Josef Taucher in seinen Bergbildern in den vergangenen Jahrzehnten entwickelte Maltechnik und eigengesetzliche Farbenwelt ermöglichte es ihm, bisher nie geschaute Bilder zu malen. Mit seiner Kunst scheinbar am ehesten in der Tradition der Romantik stehend – weder Ruine noch Mensch, selbst keine Seelenlandschaft ist zu sehen – wird bei J. Taucher imaginierter, sich dezidiert nicht auf Landschaft berufender Gebirgsraum zum ersten Mal in der europäischen Kunst als eigenständige Gestalt dargestellt (ab Ende 1970er Jahre). Massive, gleichsam naturalistische Gebirgsabbrüche im schwindelerregenden Perspektivenwechsel verlieren sich bei geringem Bildabstand in transparenten Bildtiefen. 

 

Wenn man einen Blick in die Abgründe Tauchers wirft, ahnt man was Angst und Sehnsucht ist.

Es ist ein Stehen am Rande des Abgrundes der Unbegreiflichkeit. Fels und Eis stürzt, Wolkenfetzen werden davongeschleudert oder segeln friedlich dahin. Man hört es krachen und jaulen und es ist trotzdem vollkommen still. Unsichtbare Lebewesen bevölkern die Wiesen, Wälder, Schuttfelder, Schneefelder, Felswände und Himmel und was in der Tiefe lebt weiß niemand. Der Blick gleitet haltlos ab oder verliert sich.

Man sieht nahezu nichts, erfühlt aber alles.


*  4. August 1948, Weiz   †  23. März 2022, Bruck a. d. Mur / Steiermark