Seit den 1970ern hält Josef Taucher mit seinem Werk dem Zeitgeist die totgesagte Malerei entgegen. Kunstströmungen kamen und gingen, seine fiktiven Gebirgslandschaften sind bleibend.
Im Zentrum des künstlerischen Interesses steht das Felsmassiv, der Berg; eine Metapher, das Tragwerk seiner Malerei.
So wie er den Berg vorerst existenziell und haptisch als Kletterer erfahren hat, so transformierte sich die körperliche Extremerfahrung in eine akribische wissenschaftliche Erforschung des Gesteinsbestandes der Felsen. Seil und Haken, Zeichenblock und Tuschefeder lagen immerzu im Rucksack.
(Ein künstlerisches Kleinod, ein Kletterführer, wird mit der Lutherbibel im Tresor der Universitätsbibliothek Graz für die Nachwelt aufbewahrt. Es erinnert an seine Klettertouren in der heimatlichen Weizklamm.)
Gleichsam eine erste Annäherung an eine Wahrnehmungsauffassung von geologischen Zeiträumen, welche das Konzept seiner Malerei umfängt. In der Welt der Kunst wird aktuell „Landschaft“ oder „Kunst und (Natur)Wissenschaft“ thematisch propagiert. Letzterem liegt ein ‒ heute weitestgehend unberücksichtigter ‒ Jahrhunderte andauernder philosophischer Diskurs zugrunde. Unbequem, schwierig, streitbar, diese Attribute eilen überdies dem Künstler und seinen Arbeiten voraus. Kompliziert in der kunstwissenschaftlichen Herangehensweise, sprechen sie für sich selbst und bedürfen nicht zwingend einer Erklärung.
Realismus vortäuschende Topographien und mit kantigem Strich präzise auf die Leinwand "gekratzte" Strukturen formiert er zu scheinbar undurchdringlich abgrundtiefen Felswänden. Bei einer Verringerung der Blickdistanz beginnt der Stein sich aufzulösen und tiefer liegende Schichten eröffnen sich. Abgründe, Unebenheiten, Risse, Klüfte, Gesetzmäßigkeiten, feine Pinselstriche bilden das Netz. Darunter schwirren die Atome. Das Gestein löst sich auf, Räume krümmen sich und kippen, Wolken kumulieren als lebendige Gebilde. Keine Naturgewalt, keine Romantik, keine Harmonie, keine Kritik, kein Zeigefinger, kein Mensch in Zeit und Raum. Stille.
War der Berg bei Taucher in den Anfängen seiner Malerei in einem diffusen Licht wie unter weichen zarten Schleiern eingebettet, verzog sich der Nebel zeitparallel zu seiner naturwissenschaftlichen Forschungsarbeit.
Auf den jüngeren Bildern scheinen die Konturen hart und die Luft glasklar. Josef Taucher arbeitet an abgeschlossenen Serien mit Bildtiteln wie „Nacht“, „Himmel“, „Zwielicht“, „Abgrund“ oder „Aufwind“.
Erinnerten die frühen Bilder an den Hochschwab mit seinen grünen Latschenfeldern und weißen Kalkwänden, so wandelte sich die Farbgebung im Verlauf der Zeit.
Eine Imagination herkömmlicher heimischer Alpenmotive ist nicht mehr vorstellbar:
Etliche Bildreihen sind monochrom, der Fels mutiert zu Wolken, fliegende Wolken zu starrem Fels.
Ob der Bildausschnitt auf der Leinwand eine Dimension von vielen Quadratkilometern, oder aber von nur wenigen Mikrometern darstellt, bleibt offen. Wie überhaupt tradierte Assoziationen das Leben eines zeitgenössischen „Bergmalers“ schwierig gestalteten, da dieses Thema als nationalsozialistisches Gedankengut gebrandmarkt und
daher am Kunstmarkt bis in die jüngste Vergangenheit tabu war.
In der Kunst fasziniert Taucher die Darstellung des Raumes.
Der eigentliche Malprozess ist ein Alleingang, dorthin, wo Emotionen keinerlei Stellenwert besitzen.
Er ist Schöpfer eines persönlichen Stils. Perspektive, Komposition, Formgebung und Maltechnik wurden von ihm entwickelt und gäben Zutaten für Endlos-Bildvariationen.
Die Bilder unterliegen einer unentwegten Veränderung ohne dabei je auf das Zentrum „Berg“ zu verzichten.
Im Fach Mineralogie und Kristallographie ist Taucher mehr als etabliert. Beispielsweise hat er vier weltweit neue Mineralspezies entdeckt und deren atomare Strukturen erforscht. Die künstlerische Haltung ist der Wissenschaft von Nutzen, die wissenschaftliche Denkart erneuert hierbei die Bildende Kunst. Folglich sind Josef Tauchers Ölgemälde nur partiell dem Genre Landschaftsmalerei zuzuordnen.
Christine Elisabeth Hollerer: Über Josef Taucher. In: Einladungsleporello "Josef Taucher, uneben"
(Personale im Kunsthaus Weiz, 29. April-28. Mai 2016), Weiz 2016.
Christine Elisabeth Hollerer, Studium der Mineralogie-Kristallographie, Kulturanthropologie, langjährige Kulturarbeit, Autorin.