Josef Taucher. Sculpture. Text.


Wilfried Skreiner | Neue Kunst aus Österreich


Josef Taucher, Einarmige Nike, 1985
Josef Taucher, Einarmige Nike, 1985

Arbeiten von dreiundzwanzig jungen Künstlern verdeutlichen in dieser Ausstellung die österreichische Kunstsituation der 80er Jahre. Es sind zwei Bereiche, die in der österreichischen Kunst dieses Jahrzehnts dominieren. Einmal die Neue Malerei, die mit dem Jahr 1980 international bekannt und seither in vielen Ausstellungen gezeigt wurde. Hubert Schmalix, Siegfried Anzinger, Alois Mosbacher und Josef Kern sind die zentrale Gruppe der Künstler, die einen eigenen Weg gingen, zuzurechnen sind: Erwin Bohatsch, Alfred Klinkan und der schon einer folgenden Generation angehörende Herbert Brandl. Mit diesen Namen verbindet sich international der Begriff der Neuen Malerei in Österreich. Die jungen Maler in Österreich sind keine Wilden. Dieser Begriff trifft auf die Berliner und die Mühlheimer Szene zu, aber nicht auf die, auf anderen Quellen fußenden und früher als die Deutschen aufgetretenen Österreicher. Diese sind im Gegensatz dazu expressiv, in einem Dialog mit der Kunstgeschichte und im Grunde als klassische Maler zu bezeichnen, wenn man diesen Begriff als eine Grundhaltung versteht. Sie sind eher den Italienern vergleichbar, mit denen sie ungefähr zeitgleich auftraten, freilich ohne deren freien und selbstbewußten Umgang mit der nationalen Kunstgeschichte.

Es ist ein natürliches Phänomen, daß solche neuen Bewegungen sich verbreitern, oder daß sie auch auf ältere Künstler stimulierend wirken und eine große Nachfolge finden. Dies Ausstellung versucht die primären Entwicklungen aufzuzeigen und läßt die einschwenkenden Künstler unberücksichtigt. Ein Altersgenosse dieser jungen Künstler, Hannes Priesch, kommt ursprünglich aus einer ganz anderen Richtung, nämlich aus der Schule von Max Weiler und ist schon früh als sehr begabter Maler hervorgetreten. Nach einer Phase der malerischen Objekte und Installationen ist er nun zur Malerei zurückgekehrt, die ihn wegen ihrer Eigenständigkeit und Frische direkt mit der Ursprungsgruppe parallel setzt. Auch Fritz Bergler ist hier anzuführen, der nun mit malerischen Objektbildern hervortritt. Weniger bekannt sind Wolfgang Wiedner, der Studienkollege von Schmalix, Anzinger und Mosbacher und die beiden jungen Maler Hans Jandl und Martin Kaltner, die eigenständige Beiträge in die Neue Malerei einbringen. Die Neue Malerei in Österreich ist der wesentliche Beitrag Österreichs zur Kunstsituation seit 1980 geblieben, und es ist kein Ende abzusehen (das nur von den weniger etablierten Avantgarden seit den 50er Jahren immer wieder behauptet wird).

Neben der Neuen Malerei hat sich in den letzten Jahren in Österreich eine Neue Skulptur entwickelt. Zum guten Teil sind die neuen Formen der Skulptur von der Neuen Malerei angeregt, initiiert, ja werden von den jungen Malern selbst getragen. Die Plastiken und Keramiken von Hubert Schmalix, Alois Mosbachers Landschaftsplastiken, die Köpfe von Siegfried Anzinger besitzen eine große Ausstrahlung. Der Maler Thomas Stimm hat sich auf kleine buntbemalte Keramiken verlegt, in denen er Badende, Ausflügler oder Landschaftsausschnitte in Form von Ausblicken oder Aufblicken gestaltet. In ihnen ist eine Brücke von der Kleinplastik der Pop Art in die 80er Jahre geschlagen. Als die zentrale Gestalt der Neuen Skulptur ist Erwin Wurm zu nennen, dessen aus rohen Holzstücken zusammengenagelte Skulpturen ironisch bei Duchamp und dem Futurismus ansetzten, dann, mit Abfallblech gestaltet, eine allegorisch-figurale Monumentalität erreichten und heute vor allem Landschaftsmotive darstellen. Ebenso eigenständig sind die Künstler Manfred Wakolbinger, der mit Schmuck begonnen hat und sich in seinen Kupferplastiken mit der menschlichen Figur (und wiederum in einer ironischen Distanz mit Werken von Fritz Wotruba und Henry Moore) auseinandersetzt; Gustav Troger mit einer Art von Mobile, die er aus Leinen-"Bildsäcken" näht, ausstopft, von der Decke abhängt und aus solchen Einzelteilen buntbemalte Figuren oder Interieurs gestaltet; und Josef Taucher, der in seinen buntbemalten Holzskulpturen, die er aus Holzabfällen zusammensetzt, Motive der Volkskunst aufnimmt, diese bewußt mit der Trivialkunst vermengt und das Ganze mit einem naivistischen Ansatz würzt. Neben diesem Aspekt einer neuen Skulptur haben wir es noch mit verschiedenen anderen Entwicklungen zu tun. Franz Pichler und Bernhard Hausegger kommen aus der Schule von Bruno Gironcoli und erarbeiten sehr einprägsame verfremdete Objekte. Michael Kienzer verwendet Gips und gefundene Materialien, aus denen er fleischlich-pflanzliche, bemalte Wesen schafft. Drei Maler reflektieren in ihren Arbeiten eine räumliche Malerei. Alois Neuhold schafft in einer Synthese aus der Formenwelt Paul Klees und der religiöser bäuerlicher Wachsfiguren bunte Bildobjekte. Andreas Pfeiffer erstellt malerische Rauminstallationen. Georg Held ikonisiert den Pinselstrich zu einem räumlichen Relief.

Es ist ein überraschend vielschichtiges Bild, das uns die beiden angesprochenen Bereiche des österreichischen Kunstschaffens der 80er Jahre bieten und das diese Ausstellung prägt. Manche der präsentierten Künstler haben internationale Anerkennung gefunden, in einem Ausmaß, wie sie die österreichische Kunst selten erreicht hat. [...]

 

Die Werke der Bildhauer [...]

Josef Taucher

Er ist einer der Maler, die zum plastischen Gestalten übergegangen sind. Auch er verwendet roh behauenes Abfallholz, um daraus seine Plastiken zu erstellen, die er dann bemalt. Felsen und Wolken sind Themen von Taucher, die vom Blitz getroffene Kuh, der Regenbogen, der Wasserfall und der Sonnenuntergang. In den letzten Arbeiten wendet er sich mehr und mehr der Mythologie zu. Die einarmige Nike hat eben nur einen Flügel und eine schlanke stelenhafte Gestalt. Sie beinhaltet das Staunen vor dem formalen Ereignis, das auch aus dem Bereich des Zufalls stammt und der zum Teil azurblauen Bemalung, vor allem aber der unvoreingenommenen Art des Künstlers: die Freude am Arrangement wird durch die spielerische Einbeziehung von Volks- und Trivialkunstvorstellungen und damit einem bewußten Naivismus bereichert. Diese Auseinandersetzungen sind für Tauchers Arbeit ganz typisch, denn Humor und Ironie sind ebenso seine Mittel, die er dem Betrachter in seinen Objekten entgegenhält. Erst wenn dieser bereit ist, den verschiedenen Schichten in seinen Werken nachzugehen, erschließt sich in ihm der nachdenklich heitere Charakter. [...]

 

Wilfried Skreiner: Josef Taucher. In: Katalogbuch "Neue Kunst aus Österreich" (Gruppenausstellung Galerija grada Zagreba, 16. Oktober -15. November 1985; Moderna galerija Ljubljana 28. November -29. Dezember 1985; Muzej savremene umetnosti Beograd 16. Januar-16. Februar 1986; Teilnehmer: Siegfried Anzinger, Fritz Bergler, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Bernhard Hausegger, Georg Held, Hans Jandl, Martin Kaltner, Josef Kern, Michael Kienzer, Alfred Klinkan, Alois Mosbacher, Alois Neuhold, Andreas Pfeiffer, Franz Pichler, Hannes Priesch, Hubert Schmalix, Thomas Stimm, Josef Taucher, Gustav Troger, Manfred Wakolbinger, Wolfgang Wiedner, Erwin Wurm)

Wilfried Skreiner (1927 -1994 ), für die internationale Positionierung österreichischer Künstler bedeutender Kunsthistoriker, Kurator, Universitätsprofessor, langjähriger Leiter der Neuen Galerie am  Universalmuseum (vormals Landesmuseum) Joanneum Graz.