Josef Taucher. Text.


Walter Titz | Von der Struktur der Welt.


Josef Taucher ist ein Sucher. Er findet Bilder und Steine. Und beide sehr verwandt.


Als Mitte des 18. Jahrhunderts das griechische Kykladen-Eiland Santorin von einem gewaltigen Vulkanausbruch heimgesucht wurde, gebar – so nimmt man an – die infernalische Erdkraft das Mineral Giorgiosit. Enthalten ist es leider nur in ziemlich faserigen Beispielen, was die genaue Erforschung des atomaren Aufbaus seiner Kristalle unmöglich macht. Was man bräuchte: Material von klarer Ausformung. Aber woher nehmen?

Josef Taucher, geboren in Weiz, seit langem in Graz daheim, hat sich als Maler und Bildhauer einen Namen gemacht. Vor allem die oft monumentalen Bergbilder des 49jährigen haben Aufsehen erregt. Als Beispiele, wie das Genre des Alpinschinkens in eine gänzlich heutige Malerei umgesetzt werden kann. In diesen virtuos komponierten Gemälden zeichnet sich aber nicht nur kreative Kraft ab, sie sind auch Beleg von Tauchers Passion für Berge und das, was Berge wesentlich ausmachen, nämlich Minerale.

Also ist es eigentlich gar nicht so verwunderlich, dass ein Künstler zum Forscher wird. Womit wir zur Ägäis zurückkehren. Denn Taucher und seine Partnerin, Christine Hollerer, ebenfalls Künstlerin und Mineralogin, haben gefunden, was sie gar nicht suchten: Giorgiosit in feinen Kristallen. Die allerdings nicht auf Santorin, sondern – im obersteirischen Kraubath. An der exakten Beschreibung arbeitet Taucher derzeit gemeinsam mit den Forschern des Instituts für Mineralogie-Kristallographie und Petrologie der Grazer Uni.

An diesem mit hochmoderner Gerätschaft ausgestatteten Institut, das von Georg Hoinkes geleitet wird, verbringt Taucher zumindest soviel Zeit wie vor seinen Leinwänden. Der langjährige Mitarbeiter der mineralogischen Abteilung des Grazer Joanneums frönt hier der Gesteinsanalyse. Mit dem Resultat, dass er mittlerweile etliche Erstbeschreibungen neuer Mineralien wie Weinebeneit, Pretulit und Mallestigit vorlegen kann.

Die Verbindung von Kunst und Mineralogie ist in Tauchers Arbeiten vielfältig präsent. Die formale Ebene, auf er unter dem Rastermikroskop fotografierte Mineraldetails mit gemalten Strukturen harmonieren, ist nur die vordergründigste. In Forschung wie Kunst geht es Taucher um Erkenntnis. Um die Beschreibung der Welt, aber auch um ihre Verwandlung.

Dass es zwischen der "trockenen" Wissenschaft und der "phantasievollen" Kunst keine Gräben geben sollte, ist seine Überzeugung. Tauchers Publikationen stehen ganz im Dienste dieser Barrierebeseitigung. Die Zeitschrift MATRIXX (Untertitel: "Mineralogische Nachrichten aus Österreich"), die er mit dem Grafiker Dietmar Jakely editiert, ist der Versuch, eine Fachzeitschrift auf höchstem ästhetischen Niveau zu realisieren. Naturgemäß ein Unternehmen, das nur auf Basis von Selbstausbeutung gelingen kann. Aber Jammern ist Taucher fremd. Dem Kerl macht es einfach Spaß.

Und Spaß ist nicht das letzte, das der Bergfex, der in jüngeren Jahren ein Heft der Serie "Perry Rhodan" in mittelalterlichen Lettern abgeschrieben und zu einem gewaltigen Folianten gebunden hat, vermitteln will. Spaß mit Hirn. Eine seiner Ausstellungen trug so den Titel "Weinebeneit und die digitalisierte Wurstsemmel".

"Meine Arbeit muss mich überraschen", sagt Taucher. Nur dann nämlich könne sie auch anderen etwas vermitteln. Gesagt, getan.

 

Walter Titz: Von der Struktur der Welt. In: Kleine Zeitung, Zeit & Zeichen, Graz, 20. Juli 1997, 7 Abb., S. 8-9.

Walter Titz ist Kulturjournalist sowie langjähriger Kulturredakteur der Kleinen Zeitung Graz.